Transforming Anxieties of Ageing in Southeastern Europe. Political, Social, and Cultural Narratives of Demographic Change
Das von der VolkswagenStiftung mit 1,5 Mio Euro geförderte Projekt startete im Februar 2023 und verfolgt zwei Hauptziele:
(1) vergleichende, multidisziplinäre Forschung zu Narrativen des Alterns und des demografischen Wandels in Südosteuropa als einer Region, die repräsentativ für die Herausforderungen, aber auch Potenziale dieser Prozesse für Europa als Ganzes ist;
(2) durch partizipative Ansätze dazu beizutragen, dass sich die vorherrschenden katastrophalen Darstellungen des Alterns in Richtung vielfältigerer und stärkender Darstellungen bewegen.
Eine weitere Dimension ist die Analyse der Auswirkungen der Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine auf die Care-Arrangements und die Bevölkerungsentwicklung in Südosteuropa.
Das Projekt wird von fünf Teams an vier Institutionen durchgeführt:
- Leibniz Institute for East and Southeast European Studies (coordinator), Deutschland. Principal Investigator (PI): Univ.-Prof. Dr. Ulf Brunnbauer
- Zentrum für Südosteuropastudien, Universität Graz, Österreich. PI: Univ.-Prof. Dr. Florian Bieber
- Zentrum für Interdisziplinäre Alterns- und Care-Forschung, Universität Graz, Österreich. PI: Univ.-Prof. Dr. Ulla Kriebernegg
- Department of History and Theory of Culture, Faculty of Philosophy, University of Sofia “St. Kl.Ohridski”, Bulgarien. PI: Assoc. Prof. Dr. Galina Goncharova
- Demographic Research Institute, Central Statistical Office, Budapest, Ungarn. PI: Univ.-Prof. Dr. Attila Melegh
Das Projekt wird sowohl zu den Südosteuropa-Studien als auch zu den Alternswissenschaften beitragen. Als eine unbeständige Region, die noch nicht vollständig in die Europäische Union integriert ist, ist Südosteuropa für Europa von besonderer Bedeutung. Durch die umfangreiche Migration, nicht zuletzt von Pflegekräften, ist sie eng mit dem übrigen Europa verbunden. Das Projekt untersucht Länder, die bereits Teil der EU sind und solche, die eine Mitgliedschaft anstreben sowie Länder mit unterschiedlicher demografischer Entwicklung.
Die Bevölkerungstrends in der Region ("Überalterung", massive Auswanderung, Bevölkerungsrückgang) können zu sozialer und politischer Instabilität führen, da sie als "Katastrophe" dargestellt werden, was zu einem demografischen Nationalismus führt.
Unsere Analyse geht von der Beobachtung aus, dass die demografische Entwicklung in Südosteuropa in einem Ausmaß Gegenstand öffentlicher Debatten ist, wie es sonst nirgendwo in Europa der Fall ist. Demografische Ängste versperren den Gesellschaften der Region den Weg zu mehr Integration, z. B. gegenüber Minderheiten und Einwanderung. Wir werden diese Diskurse, beginnend in den 1960er Jahren, analysieren und sie mit politischen Agenden und demografischen sowie sozialen Prozessen in Beziehung setzen. Unsere Forschung befasst sich mit verschiedenen Ebenen, von persönlichen und gemeinschaftlichen Einstellungen bis hin zu nationalen und internationalen politischen und fachlichen Debatten und deren Wechselwirkungen.
Unsere Fragen sind in fünf thematische Gruppen gegliedert: (1) sozialistisches Erbe und ambivalente Übergänge; (2) demografische und fachliche Diskurse; (3) kulturübergreifende Wege und Lebensgeschichten des Alterns und der Pflege; (4) kulturelle Darstellungen von Alter und Altern; (5) öffentliche Erzählungen und ihre Politisierung.
Unsere gemeinsame Forschung wird eine starke Dimension der Nachwuchsförderung haben. Fünf Doktorand:innen und Postdocs werden ausgebildet.
Das Projekt fördert die Interdisziplinarität und intersektionale sowie transnationale Perspektiven. Es kombiniert Methoden aus der Sozialgeschichte, der Ethnologie, der Soziologie, der Demografie, der Politikwissenschaft sowie der Kultur- und Literaturwissenschaft und verwendet qualitative und quantitative Methoden. Wir stützen uns dabei insbesondere auf die Alternsforschung und die Kritische Diskursanalyse.
Ein entscheidendes Konzept ist das "Framing", das angewandt wird, um die Bedeutungsgebung durch verschiedene Akteur:innen zu verstehen. Das Verständnis katastrophaler Darstellungen des Alterns und ihrer Politisierung sowie der symbolischen Überbestimmung ist eine Voraussetzung für die Förderung zukunftsorientierter, inklusiver Narrative. Das Projekt wird eine wissenschaftliche Basis aufbauen, um gefährliche Framing-Zyklen zu durchbrechen und so die Umwandlung von (südösteuropäischen) Gesellschaften in widerstandsfähige und fürsorgliche Gesellschaften zu unterstützen, die sich an den demografischen Wandel anpassen, indem sie die soziale Teilhabe älterer Menschen ermöglichen.
Die Agenda des Projekts umfasst öffentliche Interventionen auf verschiedenen Ebenen, die von einem Ethos der offenen, aber kritischen Wissenschaft getragen werden, das die gesellschaftliche Selbstreflexion und die Stärkung von Randgruppen fördert.
Ein wichtiges Ziel ist es, mit älteren Menschen über das Altern und das Alter zu forschen. So werden wir zum Beispiel Living Labs nutzen, um neue Fragen zu entwickeln, und wir werden Validierungsworkshops organisieren, um unsere Ergebnisse alten Menschen, Pflegenden und anderen Interessengruppen zu vermitteln.
Vier assoziierte Partner (European Network of Aging Studies, Gerontological Society of Serbia, Alzheimer Bulgaria Association, Population Europe) werden sich an unseren Verbreitungsaktivitäten beteiligen. Wir werden ein breites Spektrum an wissenschaftlichen Ergebnissen produzieren, darunter eine gemeinsame Monografie, fünf Dissertationen, Artikel in Fachzeitschriften und eine umfassende Datenbank über die demografische Entwicklung seit den 1960er Jahren sowie historische und aktuelle Bevölkerungsprognosen. Die Forschungsdaten werden zur Verfügung gestellt, und die meisten der Veröffentlichungen werden frei zugänglich sein. Eine Abschlusskonferenz in Sofia wird auch überregionale Vergleiche beleuchten.
Projektzeitraum: 01.02.2023 - 31.01.2027
Fördergeber / Förderprogramm: Volkswagenstiftung
Bewilligungssumme Teilprojekt Kriebernegg: € 379.000
Profilbereich: Dimensionen Europas